Hilft Musikhören beim Lernen? Formeln verstehen, Vokabeln merken, Gedichte auswendig lernen, Klassenarbeiten schreiben: Manche haben diese Zeiten längst hinter sich, andere stecken noch mittendrin oder stehen erst ganz am Anfang der Schulzeit. Aber wahrscheinlich haben wir uns alle schon einmal einen Trick gewünscht, der das Lernen einfacher machen würde. Im Internet finden sich zahlreiche Playlists mit spezieller Lernmusik. Oft erinnern sie an eine Mischung aus Walgesängen und sehr sanften, getragenen Songs im Stil von Enya. Doch hilft Musikhören tatsächlich beim Lernen? Beeinflusst Musik unsere Lernfähigkeit? Oder lenken die Lieder am Ende nur unnötig ab?
Musik kann die Lernfähigkeit verbessern Es gab die These, dass das Hören von Mozarts Musik die Intelligenz steigern würde. Dieser sogenannte Mozart-Effekt ist zwar längst als Mythos enttarnt. Trotzdem steht außer Frage, dass sich Musik positiv auf unsere Gehirnaktivität und das Wohlbefinden auswirkt. Musik kann Ängste lindern, ist ein Bestandteil von Psychotherapien und beeinflusst Kinder schon im Mutterleib. Dass Musik auch auf molekularer Ebene wirkt, konnte die Forschung ebenfalls belegen. Wenn Musiker ein neues Stück auf ihrem Instrument lernen oder ein Konzert geben, entstehen neue Nervenverbindungen. Weil sie die verschiedenen Hirnareale besser miteinander vernetzen, haben Musiker oft eine feinere Hörwahrnehmung und ausgeprägtere motorische Fähigkeiten. Aber Musik beeinflusst nicht nur die Gehirnregionen, die für das Gehör und die Fingerfertigkeit zuständig sind. Die Wissenschaft weiß schon länger, dass eine frühe musikalische Ausbildung dazu beiträgt, dass Kinder aufmerksamer sind und Erlerntes leichter abrufen können. Schüler, die musizieren, haben in der Schule oft bessere Noten. Das gilt für alle Schulfächer gleichermaßen, also nicht nur für Musik und andere künstlerische Fächer, sondern zum Beispiel auch für Deutsch, Mathematik oder Englisch. Insofern fördert Musik tatsächlich die Entwicklung der Lernfähigkeit. Langfristig gesehen, kann das Musizieren oder das Musikhören die schulischen Leistungen verbessern. Der oft nicht besonders geschätzte Blockflötenunterricht in der Grundschule hat also durchaus seine Berechtigung. Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen Langfristige Effekte stehen außer Frage. Doch wie sieht es mit einer unmittelbaren Leistungssteigerung aus? Würde das Lernen leichter fallen, wenn die Übungseinheit von Musik begleitet wird? Würden Schüler bei Klassenarbeiten und Klausuren besser abschneiden, wenn im Hintergrund Musik läuft? Die französische Universität Caen-Basse-Normandie hat im Jahr 2012 eine Studie dazu durchgeführt. Dafür nahmen 250 Studenten an einer Video-Vorlesung teil. Die Hälfte der Studenten hörte zusätzlich zur Vorlesung klassische Musik. Anschließend füllten alle Studenten einen Multiple-Choice-Fragebogen aus. Dabei schnitt die Gruppe, die Musik gehört hatte, deutlich besser ab. Zu gegensätzlichen Ergebnissen hingegen kamen Wissenschaftler der Cardiff Metropolitan University in Wales. Sie führten im Jahr 2018 vergleichbare Studien durch. Doch hier schnitten Studenten, die während Klausuren keine Musik hörten, um bis zu 60 Prozent besser ab als die Studenten, bei denen während der Klausuren Musik lief. Musik kann motivieren Eine andere Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass der intensive Genuss von klassischer Musik bestimmte Gene aktiviert. Diese Gene werden damit in Verbindung gebracht, das Gedächtnis und das Lernen zu fördern. Außerdem regen sie an, dass das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Allerdings waren die Gene nach dem Musikgenuss nur bei den Probanden deutlich aktiver, die eine musikalische Ausbildung mitbrachten. Damit konnte die Studie nicht klären, inwiefern die Aktivierung dieser Gene einen allgemeinen Einfluss auf die aktuelle Lernfähigkeit hat. Die Wissenschaft hält es aber für durchaus denkbar, dass Musik die Ausschüttung von Dopamin bewirkt. Hören wir Musik, die uns gut gefällt, fühlen wir uns wohl, bekommen gute Laune und sind insgesamt glücklicher. Dadurch kann auch die Leistungsfähigkeit spürbar steigen. Denn wenn Musik läuft, die die Stimmung hebt und möglicherweise sogar Stress reduziert, fällt es uns leichter, uns an den Schreibtisch zu setzen und die Arbeit motiviert zu erledigen. Jeder lernt anders Die Frage, ob es hilft, beim Lernen Musik zu hören, konnte die Forschung bislang nicht abschließend beantworten. Doch in einem Punkt sind sich die Wissenschaftler einig. So spielen sowohl die Musikrichtung als auch das Lernfach eine Rolle. Wer zum Beispiel Inhalte auswendig lernen muss, sollte klassische Musik oder Songs ohne Texte hören. Denn Musik mit Liedtexten stört in diesem Fall eher und lenkt ab. Kommt es beim Erfassen der Lerninhalte hingegen auf Verständnis und Kreativität an, kann Musik in jeder Form dazu beitragen, das Gehirn zu stimulieren und das kreative Denken anzuregen.
Eine große Rolle spielt aber auch, was für ein Lerntyp der Lernende ist und wie schnell er sich im Allgemeinen ablenken lässt. Jemand, der sich eher schlecht auf eine Sache fokussieren kann, wird zusätzliches Musikhören beim Lernen vermutlich als weniger hilfreich empfinden. Wer nicht auf neue Erkenntnisse aus der Forschung warten will oder seine eigenen Erfahrungen machen möchte, probiert am besten einfach selbst einmal aus, ob es ihm hilft, wenn er beim Lernen Musik hört. Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen: |