Wie Influencer für klassische Musik begeistern In den sozialen Medien punkten junge Musiker mit virtuosem Können und maximaler Nähe zum Publikum. Auf diese Weise gelingt es ihnen, der klassischen Musik die Schwere zu nehmen, neue Berührungspunkte zu schaffen und Zielgruppen zu begeistern, die bisher mit Klassik nichts anfangen konnten. Dieser Trend kommt auch den namhaften Konzerthäusern zugute. Musiker aus der Klassikwelt bauen durchs Internet Distanz ab Als Lang Lang im Jahr 1999 die Weltbühne betrat, war er 17 Jahre alt.
Dabei lernte der chinesische Ausnahmepianist noch eine andere Klassikwelt kennen. In dieser Welt waren es zunächst die Konzertsäle, über die das Publikum zu erreichen war. Andere Kommunikationswege gab es praktisch nicht. In einem Interview erklärte der Weltstar, dass er früher dachte, es würde reichen, wenn er mit einem guten Klavierspiel überzeugt. Heute wisse er, dass er als Künstler verschiedene Formen der Kommunikation nutzen muss, um sich dem Publikum zu nähern und mit diesem in Verbindung zu bleiben. Anders als er habe die neue, junge Generation von Musikern erkannt, dass die Performance nur ein Element im Gesamtgebilde ist. Letztlich ist entscheidend, den Abstand zum Publikum möglichst gering zu halten. Dabei ist gerade in der Welt der klassischen Musik die gefühlte Distanz zwischen Musikern und Publikum deutlich größer als in Genres wie zum Beispiel dem Pop, dem Rock oder dem Schlager. Denn in der Klassik ist es weniger der Künstler, der im Rampenlicht steht. Stattdessen gilt die Aufmerksamkeit vor allem dem Werk und der Art, wie der Musiker es interpretiert. Die Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten, sind dadurch sehr begrenzt. Bei Meisterwerken von Bach, Mozart, Vivaldi & Co. gibt es nun einmal nicht viel Spielraum. Aus diesem Grund verlegen junge Klassik-Künstler ihre Bühne ins Internet. Auf Plattformen wie Instagram oder TikTok können sie sich ihrem Publikum ohne das Zeremoniell drumherum präsentieren. Statt altehrwürdiger Etikette, die in einem großen Konzertsaal eben dazugehört, können sie sich hier locker, entspannt, manchmal lustig, vor allem aber immer menschlich und authentisch zeigen. Influencer vermitteln Wissen und vermarkten sich selbst Einer der erfolgreichsten Künstler dieser Musikergeneration ist der taiwanisch-australische Geiger Ray Chen. Auf Instagram folgen ihm mehr als eine Million Fans, auf TikTok zählt seine Fan-Community rund 590.000 Mitglieder. In seinen Videos hält der 35-jährige Musiker seine Auftritte fest oder dokumentiert seinen Alltag mit Proben. Er lässt seine Fans daran teilhaben, wie er in Bahnhöfen oder Fußgängerzonen Passanten mit seinem Geigenspiel beglückt. In anderen Beiträgen reagiert er auf Szenen aus Filmen und Serien. Einige seiner Videobeiträge verzeichnen millionenfache Abrufe. Ein ähnlich erfolgreiches Beispiel ist der deutsche Pianist Louis Philippson. In den vergangenen Jahren hat sich der 21-jährige Musiker eine große und treue Fangemeinde auf TikTok aufgebaut. Hier hat er rund 790.000 Fans, seine Videos bekamen über 65 Millionen Likes. Dabei kommen beim Publikum vor allem die Videos gut an, in denen sich der Musiker der Herausforderung stellt, sich Filmmelodien oder besonders unspielbare Stücke in möglichst kurzer Zeit anzueignen. Die Beiträge der Influencer sind unterm Strich eine geschickte Mischung aus Vermittlung von Wissen, kurzweiliger Unterhaltung und gekonnter Selbstvermarktung. Genau das gefällt den Zuschauern. Aus den Kommentaren unter den Beiträgen ist herauszulesen, dass sich viele von ihnen erst durch die Influencer überhaupt für klassische Musik interessieren oder sie inzwischen sogar mögen. Die Klassik erlebt einen Aufschwung Gerade junge Leute begeistern sich mehr für klassische Musik, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Einen Beitrag dazu leistete Corona. Als während der Pandemie die Konzertsäle weltweit geschlossen blieben, entdeckten zahlreiche Musiker die sozialen Medien als neue Kommunikationskanäle für sich. Auf diese Weise wurde die Klassik als Nebeneffekt auch für junge Menschen zugänglicher, die sich ja generell viel mit den sozialen Medien befassen. Gleichzeitig sorgten Streaming-Dienste wie Spotify oder Apple Music dafür, dass Klassikeinspielungen für die breite Masse verfügbar waren. Content-Ersteller auf YouTube unterlegen ihre Videos ebenfalls immer öfter mit klassischer Musik. Das schwedische Musikunternehmen Epidemic stellte in einer Studie fest, dass der Zuwachs bei klassischer Musik im Jahr 2022 rund 90 Prozent betrug. Beim Wachstum ist die Klassik damit Spitzenreiter. Dieser Trend geht weiter und hat inzwischen auch die namhaften Musikinstitutionen erreicht. Eine Umfrage des Londoner Royal Philharmonic Orchestra im Jahr 2022 ergab, dass 65 Prozent der Befragten in der Altersgruppe unter 35 Jahren regelmäßig orchestrale Musik hören. Damit übertrafen sie die Altersgruppe ihrer Eltern. Hier gaben 57 Prozent an, regelmäßig Klassik aufzulegen. In der nachfolgenden Umfrage zwei Jahre später bestätigte sich die Entwicklung. Demnach können sich 84 Prozent der Befragten gut vorstellen, in klassische Konzerte zu gehen. Das sind fünf Prozent mehr als vor Corona. Gleichzeitig outeten sich 54 Prozent der Interessenten als neue Fans der Klassik.
Zweifelsohne tragen junge Influencer dazu bei, Barrieren abzubauen. Sie nehmen Berührungsängste, indem sie den Spaß an der klassischen Musik in den Vordergrund stellen und den Menschen zeigen, der die großen Meisterwerke spielt. Das macht die Klassik leichter, greifbarer und nimmt ihr nicht nur die Strenge, sondern auch das mitunter angestaubte Image. Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen: |